A Dinner Bell In Vegas


Review by Tigerman

Keine Las-Vegas Saison von Elvis wurde wohl so intensiv betrachtet wie das "Elvis Summer Festival 1970", bei dem Elvis zwischen dem 10. August und 7. September insgesamt auf der Bühne stand. Der Grund ist offensichtlich - 6 Konzerte zwischen dem 10 August und 13. August wurden für den - in der bearbeiteten Version noch genialer anmutenden - Dokumentarfilm "That's The Way It Is" gefilmt, der Elvis als wahren König des Entertainments zeigt. Zu diesem Zeitpunkt hatte Elvis wohl schon fast alles erreicht, er schaffte ein grandioses Comeback mit dem 68 Special, eine Fernsehshow, die der damaligen Zeit weit voraus war, er sah dünner und in gewisser Weise auch jünger aus als in den Jahren zuvor, und mit dem hervorragenden Material aus einer Aufnahmesession in Memphis wurde er auch wieder als ernstzunehmender Musiker betrachtet. All diese Erlebnisse und sein Bühnencomeback 1969 führten dazu, dass Elvis 1970 schon fast wieder da war, wo er aufgehört hatte - als ein Star, der die Massen begeisterte. Elvis war auf dem Gipfel - die ersten Shows im August 1970, die MGM und RCA professionell aufgezeichnet haben, geben dies äußerst eindrucksvoll wieder. Leider rückt der Elvis, der noch bis zum 7.September auf der Bühne stand, recht schnell in den Hintergrund. Zu viel professionelles Material gibt es von den ersten Tagen des Engagements, von den spätere Auftritten existieren nur noch A/Rs - einige auch nur auf CD-R. Doch vor einigen Wochen hat Memory Records ein Audience Recording auf den Markt gebracht, auf das man mal einen genaueren Blick werfen sollte .... es handelt sich hierbei um die Dinner Show des 20. August 1970. Zwar erschien dieses Konzert schon einige Jahre zuvor auf der "A Dinner Date In Vegas" von "Live Archives", jedoch sowohl in schlechterer Soundqualität (für diese Veröffentlichung wurde das Material von "oTTo" im November 2003 in Prag abgemischt) als auch unvollständig ("Love Me Tender", "You've Lost That Lovin' Feelin'" und "Suspicious Minds" fehlten). Tauchen wir nach diesen statischen Details ein in die angenehme, aber angespannte Atmosphäre des Showrooms des International Hotels in den Abendstunden des 20. August ....

Nach einem kleinen Vorprogramm von Sammy Shore und den Sweet Inspirations betritt Elvis die Bühne wie zur damaligen Zeit üblich gegen 20.00h zu den harten Klängen des Opening Vamps. Und natürlich begleitet vom begeisterten Kreischen und Klatschen der 2,200 Fans, welches man auf diesem Audience Recording sehr gut vernehmen kann. Und er startet die Show, wie jede Show im August 1970, mit seinem allerersten Hit - "That's All Right, Mama". Nach den ersten hektischen Zeilen des Songs folgt das Gitarrensoli, dass Elvis mit den Worten: "Play it, James, John, Tutt, ..." ankündigt. Schon hier merkt man, dass Elvis - im Vergleich zu TTWII - die Show um einiges lockerer und entspannter angeht. Und schon nach knappen 2 Minuten ist diese extremst rockig vorgetragene Nummer (Elvis ändert an einigen Stellen den Text zu "That's All Right, Babe") zu Ende.

Stille.

Man hört das, von diversen Aufnahmen bereits bekannte, leise ins Mikrophon gehauchte "Weeeell....", dass ein Fan mit einem anerkennenden Pfeifen kommentiert. Es folgt Gelächter im Publikum und Elvis bedankt sich mit einem gemurmelten "Thank You" ... es folgen ein paar "Well"'s, begleitet von ein paar Noten mit der Gitarre, naja, dieses Spielchen kennen wir schon. Elvis kündigt an, er habe gerade gegessen, also könnte das schon noch ne Zeit lang dauern. Nun singt Elvis mit den Wells die Tonleite auf und ab und kommentiert es mit den Worten, dass dies eine seiner letzten Aufnhmen wäre - er müsse nicht viel arbeiten. Die Fans kommentieren es mit höflichen Gelächter. Es folgen noch ein paar Bemerkungen an die Band und das Publikum, bis Elvis sich in eine schnelle Version von I Got A Woman stürzt. Nun folgt eine kleine Besonderheit, da Elvis in der "Spannungspause" gegen Ende des Liedes eine Zeile von Ave Maria ins Mikrophon haucht. Offenbar spielte er hier schon mit dem Gedanken, I Got A Woman in einer Medley zu performen (später sollte Amen dieses Ave Maria ersetzen). Rauchig folgen noch die letzten Sekunden von I Got A Woman.

Thank You, etc., Klatschen.

"One of the ... eh the second song I ever recorded was a song called "Tiger Man", I haven't even heard it ... it goes like this:" ... wer meint, Elvis würde nun mit dem Song beginnen, hat sich getäuscht. Er macht noch ein paar Witzchen über Tiger und den kleinen Elvis, die vom Publikum mit großem Amusement aufgenommen werden. Interessant, das nun eine (übrigens sehr gute) Version von Tiger Man erfolgt, die, im Gegensatz zu 1969 und auch zum 12. August 1970 nicht als Medley mit "Mystery Train" dargeboten wird.

Nun begrüßt er das Publikum, stellt sich als Johnny Cash vor, begrüßt auch die Leute auf den Balkonen und redet ein bisschen über sich, reißt ein paar Witze, die Witze, die nun schon zur Routine geworden sind ... "I use to drink a lot of water, because it's so dry here in Las Vegas .. also got some Gatorade here ... " etc. Er ähnelt natürlich noch dem 69er-Monolog, jedoch kürzt Elvis ein paar Passagen. Er berichtet von seinem ersten Film ("it was called 'Gone With The Wind'") .. und überraschenderweise folgt jetzt die Ansage: "The title song of the movie was like this:" .. die ersten Takte von Love Me Tender beginnen und, wer hätte es gedacht, Elvis lässt die Band nach diesen ersten Takten stoppen ... That's how it went, very slow, just right downhill" .. natürlich werden auch einige Frauen geküsst, die sich ohne Zweifel mehr amüsieren als der Hörer dieses Liedes. Ganz offensichtlich ist Elvis dieser Song herzlich egal und er vergewaltigt ihn etwas - zur Freude der weiblichen Fans, zum Ärgernis des Hörers dieses A/Rs. Die Akkorde nach fast 6 Minuten halbherzigen Gesinge wirken wie eine Erlösung.

"I forgot to tell you I've got the flu".

Elvis kündigt jetzt eine seiner neuen Aufnahmen an, "I've Lost You", und sogleich beginnt die (Quer?)Flöte (?) (die auf diesem A/R etwas zu grell für meine Ohren klingt) das Intro dieses Songs, den Elvis erst 2 Monate zuvor (am 4.6.170) in 7 Takes aufnahm. Einer meiner Lieblinge, dieser Song. Elvis klingt melancholisch, leicht dramatisch ... große Klasse, The King at his best! ... auch heute bietet er eine souveräne und schön ausgesungene Darbietung, in der 2. Strophe meiner Meinung nach eine Idee zu hektisch, zu schnell, aber das sind minimale Schönheitsfehler, die diese Darbietung nicht großartig verschlechtern. Nach 3 einhalb Minuten gehört auch diese Song leider schon der Vergangenheit an.

Vor dem nächsten Song muss Elvis (verständlicherweise) etwas verschnaufen, was ein begeisterter männlicher Fan (nahe der Aufnahmequelle sitzend) nutzt, seinen Musikwunsch "Now Or Never" in Richtung Elvis zu schreien. Dieser "überhört" den Wunsch jedoch souverän, lässt noch ein paar andere Wünsche schreien, dann kündigt er das nächste Lied "I Just Can't Help Believin'" von B.J. Thomas an. Eine gute Version, gewohnt melancholisch, die sich aber nur sehr geringfügig von den bereits bekannten professionellen TTWII-Mitschnitten unterscheidet.

Ohne Ansage folgt nun das Bass-Intro von "You've Lost That Lovin' Feelin'". Elvis bringt den Song souverän und legt sich richtig ins Zeug, bei der Bridge bringt Elvis seine "Zwischenrufe", begleitet von Ronnies rhythmischer Snare-Drum, beschwingt und voller Energie.

Auch Polk Salad wird nicht angekündigt, Elvis veralbert jedoch das Intro so richtig schön ... hier merkt man deutlich, dass Elvis bei weitem nicht so angespannt und konzentriert agiert wie noch einige Tage zuvor. Die Zeile "Some of you all never been down South too much" wird von einem begeisterten Südstaatler im Publikum mit einem "heeey!" kommentiert, worauf Elvis mit "I said "some"" antwortet. Es folgt das übliche Intro, dass Elvis recht locker angeht. Er unterhält sich dabei auch mit den Publikum ... Elvis und Runnie scherzen nach dem "Polk!" (Drum-Schlag) "Salad!" (2-Drum-Schläge) noch weiter .. die Band spielt und Ronnie setzt seine Drum-schläge fort ... nun 3 mal ... jetzt 4mal hintereinander .. die Fans amüsieren sich köstlich. Nach 6-Drum-Schlägen kommentiert Elvis diese mit "Six!", was mit Gelächter und Applaus kommentiert wird. Elvis beschließt, das Intro nicht fortzusetzen und es geht direkt los mit "Down In Lousiana..." .. ja, Elvis vergnügt sich nach der ersten Strophe etwas mit seinen "Army-Trick", er spielt etwas mit seiner Stimme ... und dann geht es weiter ... bis zur ersten kleinen Pause in dem Lied. Nun baut sich die Spannung, wie ja von anderen Versionen sehr gut bekannt, wieder auf ... und kurz bevor die Sweet Inspirations einsetzen, kündigt Elvis ihren Einsatz in einem neutralen, unbeteiligten Ton mit: "Chic a bon, chic a bon" an. Und das finde ich persönlich wirklich lustig Elvis wiederholt diese Ansage auch bei dem zweiten "Chic a bon, chic a bon" der Sweets, die sich das Lachen kaum mehr verkneifen können. Ein typischer Schlußakkord beendet diese Performance.

Nun kündigt er die Band in gewohnt schneller Manier an, zu schnell, den bereits bei der Vorstellung der Sweets verhaspelt er sich mehrmals. Man bemerkt bei diesem A/R übrigens, dass die Imperials einen weitaus größeren Applaus bekommen als die Sweets und Kathy Westmoreland zusammen. Nun folgt die Vorstellung der Lead-Guitar, "Chuck Berry", no, James Burton. "Chuck Berry" startet deshalb sogleich mit einem "seiner" größten Hits - Johnny B. Goode. Für mich zwar eine noch recht gute, aber doch etwas "lahme" Version dieses Klassikers. Auf der "All Things Are Possible" findet man meiner Meinung nach eine wesentlich rauchigere und rockigere Performance - und das 5 Monate später ...

Weiter geht es mit den Jungs der TCB-Band, die alle einen höflichen Applaus erhalten. Wie bereits in der TTWII Zeit macht Elvis den gewohnten "So that's Tutt - Sheef, anyway you look at it" Witz, den ich bis heute nicht verstehe ... kann mir den mal jemand erklären? Es folgt das Orchestra, Eddy Grahem und zum Abschluss dieses Rede-Parts stellt Elvis noch Ruth Boyd und die Rinky-Dinks vor. Mit letzerem Namen spielt Elvis ein wenig und stimmt den Song Blue Suede Shoes in leicht abgewandelter Melodie an: "Rinky-Dinks shoe ..."

Er hatte einen Hit, der dieses Jahr auf den Markt kam, sagt Elvis, er geht folgendermaßen - und die pompösen Anfangsakkorde des Klassikers "The Wonder Of You" beginnen. Es war in der Tat ein großer Hit für Elvis, insbesondere in England, wo der Song sogar auf Platz 1 kam, und auch heute bringt Elvis den Song fröhlich und ausgelassen, wenn die Performance auch in der 2. Strophe etwas zu langsam für meinen Geschmack ist. Doch die enthusiastischen "Oh-Ho-Ho-Ho"'s machen alles wieder wett.

"Well ..." - nein, nicht I Got A Woman sollte folgen, sondern Heartbreak Hotel. Hier merkt man auch wieder die entspannte Stimmung Elvis', der nicht unbedingt sehr textsicher agiert und auch Heartbreak Hotel gegen Ende durch International Hotel ersetzt.

Konzentriert war Elvis nun wirklich nicht mehr, er summt eine Zeile von "Memphis, Tennessee", die von der TCB-Band rhythmisch begleitet wird. Doch nach den ersten 4 Zeilen winkt Elvis schon wieder ab - ein klassicher "One Verse".

Eine extremst hart rockende Gitarre von James Burton und eine rauchige Stimme von Elvis stimmen One Night an. Eine gute Performance von Blue Suede Shoes folgt direkt darauf. Zu beiden gibt es nichts besonderes zu sagen, der typische Elvis-Oldie-Block, den der King aber noch einigermaßen professionell (das kann man ab 73 nicht mehr wirklich sagen) darbietet.

Ach ja, Oldie-Block .. als nächstes folgt eine zärtliche Lieblingsballade seiner Anfangszeit ... sie handelt über einen Jungen, der sich langsam und zärtlich dem Gesicht eines Mädchen nähert ... und diesem dann eben so zärtlich "YOU!" ins Gesicht schreit .. "YOU", "WE", Whatever, Elvis startet mit You ain't nothing but a Hound Dog und bringt eine überaus rockige und beschwingte Performance.

Nun möchte Elvis wieder ernst werden, und bringt eine herausragende Performance von Bridge Over Troubled Water, ... für mich ein weiteres Highlight dieser Show. Sie zeigt Elvis, obwohl er schon seit 2 Wochen wieder auf der Bühne steht, in Top-Verfassung wie er höchst konzentriert diesen Klassiker von Simon&Garfunkel darbietet, die Klavierbegleitung tritt bei Elvis dynamischen Gesangspart in der ersten Strophe in den Hintergrund, wären da nicht ein paar Geräusche des Publikums, könnte man sich den King durchaus einsam in Graceland vor dem Klavier singend vorstellen ...

Ohne Ankündigung folgt Suspicious Minds, ein Song, bei dem das Publikum eindeutig merkt, dass es hier eine Performance des Greatest Entertainer Of All Times besucht hat ... Elvis rockt sich durch ... Minuten in einem mörderischen Tempo und feuert Ronnie Tutt am Schlagzeug desöfteren mit "Hey! Ronnie!" an ... wie immer eine geniale Performance, bei der Elvis seinen ersten Nummer-1-Hit seit langer Zeit hervorragend repräsentiert ...

Und wie 1970 üblich (1969 folgte nun noch "What I'd Say) folgt direkt die Verabschiedung mit der gewohnten Liebeserklärung (Can't Help) Falling In Love With You ... Elvis sing mir persönlich etwas zu zaghaft, da gefällt mir die Version von der Midnight Show des 12.8. erheblich besser ... doch wirklich was auszusetzen gibt es auch am heutigen Tage nichts, außer eben der Tatsache, dass Elvis die Show nun offensichtlich beenden wird ... und das war es auch schon wieder, ein weiterer Auftritt aus dem "RekordJahr" 1970 geht zu Ende ... man hört noch die Ansage, dass es in der Lobby Elvis Platten und Souvenirs zu kaufen gäbe, dann blendet die Aufnahme aus ... 3 Stunden später sollte er wieder auf dieser Bühne stehen ....